Fragen beim 5. Deutschen Sjögren-Tag 2006 an der Charité Berlin
und Antworten des Rheumatologen Prof. Dr. Thomas Dörner
1. Frage:
Wie wird an den Rheumaambulanzen oder an den Rheumazentren der Marker "alpha-Fordrin" eingeschätz? Gibt er Aufschluss über die Aktivität und Intensität der Krankheit?
Antwort:
Dieser Parameter (Antikörper gegen alpha-Fodrin), den man im Blut messen kann, hat sich bisher nicht für Routineuntersuchungen durchgesetzt. Eine Beziehung zur Aktivität ist nicht belegt.
2. Frage:
Kann der Rheumatologe allein das Krankheitsbild Sjögren-Syndrom behandeln, oder muss die Patientin gleichzeitig darüber hinaus andere Fachärzte aufsuchen?
Antwort:
Da die Erkrankung unterschiedliche Organe bzw. Organsysteme befallen kann, kann auch der Augen-, Zahn-, HNO-, Frauenarzt (sowie andere Fachgebiete) in die Behandlung einbezogen sein. D.h., dass bei einzelnen Patienten durchaus unterschiedliche Fachgebiete den Patienten betreuen.
3. Frage:
Können wir Patientinnen durch Mithilfe die Forschung zu unserem Krankheitsbild aktivieren und fördern? Wenn ja, wie?
Antwort:
Zur Erforschung von typischen Veränderungen beim Sjögren-Syndrom und für die Entwicklung neuer Behandlungen ist die Mitarbeit der Patienten für forschende Ärzte unabdinglich. Alle Projekte werden dabei durch eine unabhängige Ethikkommission geprüft. Gern würden wir Forschungsprojekte auf der Webseite der Selbsthilfe z.B. vorstellen. und Patienten über eine mögliche Teilnahme an verschiedenen Studien informieren. Gern würden wir bei Einverständnis der Patienten und mit Zustimmung der Ethikkommission auch Blut der Patienten bei einzelnen Analysen verwenden.
4. Frage:
Gibt es internationale Vernetzungen bei der Forschung und Informationen über die Ergebnisse?
Antwort:
Internationale Zusammenarbeit und Informationsaustausch in der Forschung ist auch beim Sjögren-Syndrom sehr wichtig. Daher bestehen seit längerer Zeit gemeinsame Projekte mit US-amerikanischen Gruppen an den National Institutes of Health (NIH) und an der Universität Texas/Dallas, österreichischen, englischen, französischen
Kollegen sowohl in der Ursachenerforschung als auch bei Projekten zu Verbesserung der Therapie. Ebenso wichtig ist aber auch eine nationale Förderung der Wissenschaft, wobei unsere Arbeitsgruppe an der Charite verschiedene Unterstützungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Bonn seit 1998 erhalten.
5. Frage:
Wirkst sich die Einnahme von Folsäure, B-Vitaminen, Omega-3-Fettsäuren und Selen positiv auf das primäre Sjögren-Syndrom aus?
Antwort:
Da dazu keine verlässlichen Studien beim Sjögren-Syndrom vorliegen, kann diese Frage nicht eindeutig beantwortet werden. Wenn eine individuelle Einnahme dieser Substanzen zu einer Beschwerdelinderung führt, besteht andererseits kein Anhalt dafür, dass die Vitamine bzw. Omega-3 Fettsäuren toxisch sein könnten, da sie allesamt Bestandteile unserer Ernährung sind.
6. Frage:
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Gürtelrose und Sjögren-Syndrom?
Antwort:
Ein solcher Zusammenhang ist bisher nicht bekannt.
7. Frage:
Muss bei einer Blutsenkung von 100-120 medikamentös eingegriffen werden, wenn die Blutsenkung bei Beginn der Sjögren-Erkrankung vor sechs Jahren bei 40-50 lag? Wie hoch darf die BSG noch steigen?
Antwort:
Einer vermehrten Blutsenkungsbeschleunigung können mannigfaltige Ursachen zugrunde liegen, daher ist hier eine individuelle Abklärung durch den betreuenden Arzt notwendig. In der Regel bleibt eine erhöhte BSG bei vielen Patienten mit Sjögren-Syndrom mit kleinen Schwankungen über die Zeit stabil.
8. Frage:
Beeinflussen Hormone das Sjögren-Syndrom positiv?
Hintergrund für diese Frage: Ich nahm 18 Jahre lang Hormone Progynova. Da diese in Verruf geraten sind, und ich fast 60 J. bin, beschloss ich vor eineinhalb Jahren den schleichenden Ausstieg. Die Wechseljahrbeschwerden hielten sich in Grenzen. Jedoch haben sich die Sjögren-Beschwerden rapide verschlechtert, besonders im letzten halben Jahr (Mundtrockenheit. Speicheldrüsenschwellung und jetzt noch starke Gelenkschmerzen, die in den vergangenen Jahren nur äußerst selten aufraten).Gibt es da einen Zusammenhang?
Antwort:
Zu dem speziellen Fall kann man nur in Kenntnis weiterer spezieller Patientendaten Stellung nehmen, welches mit dem betreuenden Arzt erfolgen sollte. Hinsichtlich eines Zusammenhanges von Hormonen und dem Sjögren-Syndrom werden v.a. weibliche Geschlechtshormone immer verdächtigt, bei der Erkrankung und deren Ausprägung beteiligt zu sein. Robuste Erkenntnisse liegen uns auch hier nicht vor. Im oben dargestellten Falle liegt aber eher ein Entzug der Hormone nach 18 Jahre Behandlung aus anderer Indikation vor. Man muss in diesem Zusammenhang unbedingt m.E. berücksichtigen, dass es auch im fortgeschrittenen Alter zu einer verminderten Drüsenproduktion kommen kann. Dahingehend ist bei Patienten über 60 Jahre auch der Schirmer Test auf Grund reduzierter Tränenproduktion weniger verlässlich.
9. Frage:
Welche Untersuchungen müssen durchgeführt werden, wenn bei Sjögren-Betroffenen eine periphere Neuropathie vorliegt und darauf evtl. dann eine ZNS-Beteiligung erfolgen kann?
Antwort:
Eine periphere Polyneuropathie, insbesondere mit Befall der sensorischen Funktionen, findet sich nicht selten beim Sjögren. Hier empfiehlt sich eine Abklärung durch einen Neurologen, v.a. um diese zu sichern und viele andere Ursachen einer Polyneuropathie auszugrenzen. Eine ganz andere Manifestation im Nervensystem betrifft den Befall des zentralen Nervensystems, die jedoch vergleichsweise selten auftritt. Auch hier ist eine Betreuung durch einen Neurologen wichtig.
10. Frage:
Muss bei einer Polyneuropathie häufig eine MRT-Untersuchung durchgeführt werden, und wenn ja in welchem Rhythmus?
Antwort:
Eine Polyneuropathie bedarf keiner MRT-Verlaufskontrollen.
11.Frage:
Was ist eine gemischt monoklonale Kryoglobulinämie?
Antwort:
Verschiedene Ursachen können zu Kryoglobulinen führen. In dem Fall liegt eine Vermehrung eines Immunglobulins vor. Klinisch stehen die Beschwerden einer Polyneuropathie und Arthralgien im Vordergrund. Kryoglobuline sind Immunglobuline, die unterhalb der Körperkerntemperatur (klassisch ab 4 Grad Celsius) ausfallen bzw. gelieren. Dadurch kann es klinisch, z.B. im Bereich der Finger oder Zehen, zu Durchblutungsstörungen kommen, die bestimmte Symptome hervorrufen. Zusätzlich führen sog. Immunkomplexe zu Gefäßentzündungen.
Beim Sjögren findet sich eine Kryoglobulinämie häufig in Form einer monoklonalen (Vermehrung eines Einzeleiweißes) Form, wobei auf die Entwicklung eines Lymphoms geachtet werden muss.
12. Frage:
Was ist eine Lymphadenopathie?
Antwort:
Dieser Begriff beschreibt Lymphknotenvergrößerungen.
13. Frage:
Wie können ständig/häufig auftretende Erkältungskrankheiten verhindert werden?
Antwort:
Durch eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung, v.a. ausreichender Vitaminaufnahme, aktive sportliche Betätigung und nach Möglichkeit Abhärtung. Zudem empfiehlt sich ein ausreichender Impfschutz, einschließlich Influenza (Grippe) Schutzimpfung. Impfungen mit sog. Lebendvakzinen (Impfung mit abgeschwächten Lebend-Impfstoffen) sind bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen nicht zu empfehlen.
14. Frage:
Wie können trotz Quensyl und Kortison ständig auftretende Speicheldrüsenschwellungen behandelt werden? (Auch Antibiotika helfen nur für kurze Zeit.)
Antwort:
Diese Situation ist sehr selten und bedarf neben einer individuellen Abklärung einer sehr speziellen Therapie, die nur im Einzelfall (auf Grund des individuellen Falles sind m.E. weitere Ausführungen hier nicht zielführend) und Kenntnisse weiterer Befunde entschieden werden kann.
15. Frage:
Welche Medikamente (Enzyme) sollten zur Unterstützung der Verdauung eingenommen werden? Viele Betroffene haben Verdauungsschwierigkeiten.
Antwort:
Hier ist zum einen eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme wichtig. Nachgewiesene Einschränkungen von Verdauungsenzymen (insbesondere der Bauchspeicheldrüse) sind sehr selten. Nur nach Konsultation mit dem behandelnden Arzt sollten bestimmet Enzympräparate eingenommen werden, da es mannigfaltige andere Ursachen für Verdauungsbeschwerden gibt. Insbesondere sind hier Schleimhautschädigungen bei Einnahme von älteren NSAR (Schmerzmittel) zu berücksichtigen.
16. Frage:
Dürfen bei Autoimmunerkrankungen immunsystemstärkende Medikamente bzw. Lebensmittel genommen werden? Wie kann man durch Ernährung den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen?
Antwort:
Oberstes Gebot ist eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme (ca. 2 Liter pro Tag bei Herz/Kreislaufgesunden, wobei der Natrium- Gehalt nach Möglichkeit nicht erhöht sein sollte) mit der Nahrung. Häufig trinken die Patienten zu wenig! Besten Schutz bzw. Unterstützung bietet eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung (Vitamine, eiweißreich). Es sind keine Medikamente mit einer klassischen Immunverstärkung gesichert. Da das Immunsystem eher überaktiv beim Sjögren-Syndrom ist, nutzen wir deren Funktion in der Zügelung des Immunsystems wie z.B. bei Hydroxychlorochin oder Prednisolon in dieser Hinsicht.
Weiterhin wichtig sind flankierende Maßnahmen, wie aktive sportliche Betätigung und physiotherapeutische Übungen.
17. Frage:
Wie weit ist Stress für die Enststehung der Krankheit verantwortlich?
Antwort:
Dazu ist nichts gesichert.
18. Frage:
Welche Therapie wird bei starken Lidrandentzündungen empfohlen? Im Moment nehme ich täglich 1 Tabl. Doxycyclin.
Antwort:
Eine antibiotische Dauertherapie sollte nur unter strenger ärztlicher Aufsicht erfolgen, wobei die Lidrandentzündungen in die Domäne der Augenärzte fällt.
19. Frage:
Was ist eine Neuromyopathie? Kann sie im Zusammenhang mit Quensyl als Nebenwirkung auftreten, und wie treten die Beschwerden auf?
Antwort:
Eine Neuromyopathie ist eine Erkrankung der Erregungsübertragung vom Nerven auf den Muskel. Diese ist grundsätzlich auch unter Quensyl möglich, ich selbst habe dies aber noch nicht als Nebenwirkung dieses Medikamentes gesehen. Es kann dabei zu nicht kontrollierten Muskelbewegungen einzelner Partien kommen (z.B. Anspannungen einzelner Muskelbäuche) ohne Bewegung des Gesamtmuskels. Beim Auftreten im Bereich der Augenmuskeln kann dies zu Sehstörungen führen und sollte unbedingt zu Konsultation des Augenarztes führen.
20. Frage:
Welchen Stellenwert hat die Enzymtherpie (Phlogenzym)? Können Enzyme als Dauermedikament eingenommen werden?
Antwort:
Für das Sjögren-Syndrom liegen dazu keine Studien vor, daher kann auch keine Aussage zu Nutzen und Risiko in einer evtl. Dauertherapie gemacht werden.