Therapie bei einer 12jährigen?

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10 Jahre 2 Monate her #10794 von bejott
Hallo Dr. Tomiak,
sowohl ich (44) als auch meine Mutter (73) haben seit 4 bzw 13 Jahren eine Vaskulitis (Mikroskopische Polyangiitis bzw. Churg-Strauss-Syndrom).
Eher zufällig wurden bei unserer 12jährigen Tochter nun Blutwerte entdeckt, die auf ein Sjögren-Syndrom hinweisen (hier muss ich den Arztbrief zitieren, da mir die aktuellen Laborwerte noch nicht vorliegen: Senkung 76, Immunglobulin G 48,3, Rheumafaktoren Titerhöhe 772 U/ml, antinukleäre Antikörper über 1:5.120 mit gesprenkeltem Muster, positiver Nachweis von Ro- und LA-Antikörpern, alle weiteren Laborbefunde unauffällig).
Der Kinderrheumatologe möchte anhand der Laborkonstellation das Sjögren-Syndrom diagnostizieren (Schirmer-Test deutlich normal, Saxon-Test mit 2,6 g leicht erniedrigt) und das Kind am liebsten sofort mit tgl. 30 mg Prednisolon bombardieren.
Da sie sich subjektiv wohl und gesund fühlt frage ich mich, ob diese Werte nicht lediglich auf die ganz offensichtlich vorhandene genetische Disposition hinweisen und ob zum jetzigen Zeitpunkt tatsächlich wie therapiert werden muss.
Mit freundlichen Grüßen,
Betty

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10 Jahre 2 Monate her #10795 von Dr. Tomiak
Sehr geehrte Betty,
das ist eine interessante und schwierig zu beantwortende Frage. Die Befunde sind ja ziemlich deutlich verändert. Die Trockenheit kann lange fehlen. Wenn subjektives Wohlbefinden besteht, ist es immer problematisch solche Bestimmungen vorzunehmen, da man tatsächlich dann hin- und hergerissen ist, was man dann machen soll. Bei fehlenden Beschwerden halte ich die Dosis von 30 mg Prednisolon für relativ hoch. Es zeigen sich jedoch deutliche Entzündungszeichen, die Beschwerden wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit verursachen könnten. Wäre dies vorhanden, würde ich auch versuchen, mit - vielleicht zunächst einmal 10 mg Prdnisolon? - die Entzündung einzudämmen. Auch wenn Drüsenschwellungen am Unterkiefer oder Lymphknotenschwellungen am Hals vorliegen, könnte dies versucht werden. Diskutiert wird unter Experten, ob man nicht in einem solch frühen Stadium therapieren sollte und auch mit einer solchen Therapie erfolgreicher wären als dann, wenn bereits Trockenheit besteht. Andererseits kann man nicht abschätzen, ob wirklich Krankheitssymptome in Zukunft entstehen würden, ob sich wirklich ein Krankheitswert aus diesen Laborwerten ergibt.
Man schwank also zwischen der "Angst, etwas zu verpassen" und einer "Übertherapie", die Wissenschaft gibt hierzu unterschiedliche Antworten. Es gibt nur wenige und kleine Studien für eine solchen "präventives Frühbehandeln". Man wird sich pragmatisch entscheiden müssen:
Entweder wartet man ab und hält sich unter engmaschiger Beobachtung die Behandlungsoption offen oder
man gibt Prednisolon und zusätzlich das Malariamittel Quensyl (200 mg/Tag) oder Resochin (junior). Beide kann richtig sein. Angesichts der hohen Entzündungswerte würde ich zu einer Behandlung neigen, die andere Entscheidung wäre aber auch nicht falsch. Es gibt kein Richtig oder Falsch. Wenn Kortison gegeben würde, würde ich rasch das Malariamittel ergänzen, damit die Kortisontherapie nur kurzfristig gegeben werden muss. Wahrscheinlich ist das Kortison für das Wachstum kurzfristig nicht problematisch, es sollte jedoch nicht auf Dauer verabreicht werden.
Jede Entscheidung - wie auch immer sie ausfällt - sollte kurzfristig immer wieder überdacht/überprüft werden, die Strategie kann in die eine oder andere Richtung "korrigiert" werden.
Alles Gute und herzliche Grüße
Ch. Tomiak
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10 Jahre 6 Tage her #10875 von bejott
Sehr geehrter Dr. Tomiak,
nun haben wir uns eine zweite Meinung eingeholt und unsere Tochter wurde nochmals gründlich untersucht. Bei einer Ultraschalluntersuchung der Speicheldrüsen wurde eine Entzündung festgestellt, andere Drüsen (Bauchspeichel- etc.) sind nicht betroffen, die Blutwerte unverändert. In den nächsten Tagen soll noch eine Speicheldrüsenbiopsie stattfinden. Die Therapieempfehlung lautet Kortisonstoßtherapie über ein halbes Jahr, dazu MTX und Quensyl. Über den Sommer ist unsere Tochter rein äußerlich kerngesund und "mopsfidel" gekommen und ich habe große Probleme, ein subjektiv fittes Kind derlei heftigen Medikamenten auszusetzen. Gibt es eine kurze schnelle Einschätzung Ihrerseits?

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9 Jahre 11 Monate her #10901 von Dr. Tomiak
Ich hätte Hemmungen, einen Menschen ohne Beschwerden mit einer solch hohen Kortison-Dosis zu behandeln. In erster Linie geht es ja um eine Beschwerdelinderung. Der Präventionsgedanke ist umstritten. Ich selbst würde in der Kinderklinik in Garmisch oder in St. Augustin (Abteilung Prof. Horneff) anrufen und um Rat fragen. In jedem Fall würde ich wahrscheinlich, sollte dies tatsächlich erforderlich sein, zunächst eine niedrigere Dosis verwenden. Die Entzündungszeichen sind ja doch hoch.
Herzliche Grüße
Ch. Tomiak

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