Nahrungs- und Genussmittel können den Effekt von Medikamenten beeinflussen.

von Claudia Nientit, 2005

Die Anweisungen sind oft präzise:

Dreimal täglich eine Tablette nach dem Essen. Eine Stunde vor der Mahlzeit zehn Tropfen mit etwas Flüssigkeit einnehmen. Die Kapseln sollten unzerkaut, in aufrechter Position, jeweils zu einer Mahlzeit geschluckt werden.
Nicht gleichzeitig mit Milchprodukten oder Alkohol einnehmen.

Vorsicht auch bei Grapefruitsaft, Käse oder Kaffee, muss man heute anfügen. Denn in den letzten Jahren haben Forscher immer mehr Nahrungs- und Genussmittel entdeckt, welche die Wirksamkeit bestimmter Medikamente empfindlich stören können. Das hängt meist damit zusammen, dass einige Stoffe in Lebensmitteln über das gleiche Entgiftungssystem abgebaut werden wie Arzneien. Die Nahrungsbestandteile können die körpereigene Müllabfuhr dabei überlasten oder auch anregen.


Die Folgen: eine beschleunigte oder gebremste «Entsorgung» der Medikamente - und die damit verbundene verstärkte oder verminderte Wirkung.

Ein Nahrungsmittel, das die Medikamentenwirkung häufig stark beeinflusst, ist laut Karin Fattinger von der Abteilung Klinische Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsspital Zürich Grapefruitsaft. Ende der Achtzigerjahre habe man den enormen Einfluss des bitteren Saftes eher durch Zufall entdeckt.

«Forscher wollten eigentlich den Einfluss von Alkohol auf ein Blutdruckmittel namens Felodipin überprüfen», so die Pharmakologin. «Weil die Testpersonen nicht merken sollten, ob sie ihre Tabletten mit Wasser oder Alkohol einnahmen, vermischte man die Flüssigkeiten mit Grapefruitsaft». Das Ergebnis der Untersuchung war verblüffend:

Im Blut aller Patienten wurden so hohe Felodipin-Spiegel gemessen, wie in keiner der vorangegangenen Testreihen. «Bei wiederholtem Saftgenuss verstärkt sich der Effekt sogar noch», sagt Karin Fattinger. Von dieser Erkenntnis aufgeschreckt, hat man viele Medikamente auf ihre Wechselwirkungen mit Grapefruits getestet. Falls relevant, wird gemäß Hans Stötter, Clinical Reviewer bei der Arzneimittel-Zulassungsbehörde Swissmedic, eine entsprechende Abklärung auf jeden Fall gefordert. In den Fachinformationen betroffener Präparate sei in diesen Fällen ein entsprechender Hinweis auf die Wechselwirkung zu finden.

Bereits gut erforscht sind solche Interaktionen bei einigen Verwandten von Felodipin, den so genannten Kalzium-Antagonisten, die gegen Bluthochdruck und bei koronarer Herzkrankheit eingesetztwerden. Ebenfalls betroffen sind einige Fettsenker aus der Klasse der Statine - beim Wirkstoff Simvastatin stiegen die Konzentrationen im Blut auf das 12fache an. Zudem beeinflusst Grapefruitsaft die Wirkung bestimmter Beruhigungsmittel, den so genannten Benzodiazepinen, sowie verschiedener Antibiotika, Herz-, Asthma- oder Magenmittel.

Was für Grapefruitsaft gilt, stimmt nicht automatisch für alle Zitrusfrüchte. Zwar fanden US- Forscher heraus, dass der Saft von Seville- oder Bitterorangen ähnliche Auswirkungen hat. Doch normaler Orangensaft, dies zeigten verschiedene Untersuchungen, beeinflusst die Verfügbarkeit von Medikamenten nicht.