Fragen von Betroffenen und
Antworten von Herrn Dr. I.Gao zum Sjögren-Syndrom, 2002
Dr. med. I. Gao, Rheumatologe
1. Frage:
Welche Blutuntersuchungen müssen in welchem Rhythmus durchgeführt werden?
Antwort:
Abgesehen von Laboruntersuchungen zur Diagnoseerstellung (sollten von einem Internisten mit Schwerpunktbezeichnung Rheumatologie veranlasst werden):
Falls eine immunsuppressive Therapie durchgeführt wird, Kontrollen entsprechend den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (im Regelfall in der stabilen Phase einmal monatlich)
Zusätzlich bei primären Sjögren-Syndrom (auch ohne Therapie): Zur Erkennung möglicher maligner Lymphome alle 6 Monate Kontrolle von Blutbild inclusive Differentialblutbild, LDH, Eiweiss-Elektrophorese
Der Abfall des IgM-Spiegels gilt nicht mehr als prognostisch negativer Marker im Sinne der Gefahre der Entwicklung eines bösartigen Lymphomes.
Prognostische Risikofaktoren sind:
1. Niedriger Komplement C4-Spiegel
2. erhabener Hautausschlag als Hinweis einer Hautgefäss-Entzündung (palpable Purpura)
3. Eine Schwellung der Ohrspeichel-Drüsen
(geändert am 5.7.02 lt. Dr. Gao, Heidelberg)
2. Frage:
Wie oft sollte der HNO-Arzt mit Ultraschall die Drüsen am Kopf untersuchen?
Antwort:
Falls die Speicheldrüsen geschwollen sind, kann zur Differentialdiagnose eine solche Untersuchung sinnvoll sein. Gesicherte Speicheldrüsentests sind jedoch Speicheldrüsen-Szintigraphie, Sialografphie und Speicheldrüsenflussmessung. Routinemäßiger Ultraschall der Drüsen wird nicht empfohlen.
3. Frage:
Welche Symptome treten beim primären Sjögren-Syndrom auf?
Antwort:
Leitsymptome sind trockene Augen-, Nasen- und Mundschleimhaut. Weitere Symptome resultieren aus der Drüsen-Funktionsschwäche (in absteigender Häufigkeit):
- Gelenkschmerzen, evtl. Arthritis
- Raynaud Phänomen (Ablassung und livide Verfärbung z.B. der Hände in der Kälte)
- Lymphknotenschwellungen
- Gefäßentzündungen (z.B. bestimmte Hautausschläge)
- Lungenbeteiligungen (z.B. Entzündungen des Lungengewebes)
- Nierenentzündungen
- Leberentzündungen
- Schädigung peripherer Nerven
- Muskelentzündungen
- Übergang in ein bösartiges Lymphom
4. Frage:
Muss ein Sjögren-Betroffener Sonne meiden?
Antwort:
Bei sekundärem Sjögren-Syndrom im Rahmen von lichtempfindlichen Kollagenosen (z.B. SLE oder bestimmten Mischkollagenosen-Formen( ja!
Sollte eine Chloroquin-Therapie (Resochin, Quensil) bestehen, sollte ebenfalls das Sonnenlicht gemieden werden.
5. Frage:
Gibt es eine bestimmte Diät für Sjögren-Betroffene?
Antwort:
Hiezu gibt es keine wissenschaftliche Erkenntnisse!
6. Frage:
Welche Cremes, Gels, Zäpfchen soll man bei trockener Vagina nehmen?
Antwort:
Am wirkungsvollsten sind östrogenhaltige Stoffe. Jedoch dürfen diese nur nach vorheriger Untersuchung durch den Frauenarzt zum Ausschluss eines Brustkrebses verwandt werden! Dieser sollte auch entsprechende Präparate verornen (z.B. Oekolp Vaginalzäpfchen 2 mal pro Woche, Oekolp Creme). Ansonsten können nur nicht östrogenhaltige Gels oder Zäpfchen verwendet werden (z.B. Gleitgelen Emulsio).
7. Frage:
Wie sind stechende Augenschmerzen hinter dem Augapfel zu erklären?
Antwort:
In den meisten Fällen durch die Bindehaut- und Hornhautentzündungen. Vom Augenarzt ist evtl. die Indikation zur weiteren Abklärung zu stellen (Kernspinntomographie, CT).
8. Frage:
Wieso kommt es bei Sjögren-Betroffenen zu Schlafstörungen mit einer undefinierbaren Unruhe im Bereich des Oberbauches und im unteren Brustbereich?
Antwort:
Dies könnte für eine Magen-Darm-Beteiligung im Sinne einer Speiseröhren-Entzündung, Magenschleimhaut-Entzündung oder auch einer Bauchspeicheldrüsen-Entzündung sprechen! Zur sicheren Einordnung ist eine Vorstellung nötig!
9. Frage:
Warum kommt es beim Sjögren-Syndrom zu nervlichen Begleiterkrankungen, wie z.B. Polyneuropathie und Trigeminusneuralgie?
Antwort:
Nervenschädigungen sind meist auf Entzündung der die Nerven mit Blut versorgende Gefäße zurückzuführen (siehe auch Frage 3). Schließlich spielen psychische Faktoren, die durch die chronischen anderen Beschwerden des Sjögren-Syndroms gefördert werden, bei der Schmerzempfindung (vor allem bei Tregeminusneuralgie) eine zusätzliche Rolle.
10. Frage:
Welche Art von Beteiligung ist vorhanden, wenn nachts und am Morgen starke Schmerzen auf der Fußsohle auftreten?
Antwort:
Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um Schmerzen bei Polyneuropathie. Eine klinische Untersuchung ist notwendig.
11. Frage:
Was versteht man unter Kollagenosen?
Antwort:
Systemische Autoimmunerkrankungen, bei denen sich die eigene Körperabwehr vor allem gegen eigenes Bindegewebe richtet, aber prinzipell jedes Körpergewebe und Organe befallen kann. ( Kollagen ist ein Bindegewebs-Bestandteil).
12. Frage:
Gibt es Anzeichen, dass das Sjögren-Syndrom vererbbar ist?
Antwort:
Bei Verwandten von Sjögren Patienten kommen häufiger Sjögren-Syndrom und im Blut Autoantikörper vor. Es wurden je nach Rasse verschiedene Erbfaktoren bei Sjögren-Syndrom festgestellt. Es gibt jedoch keinen eindeutigen Erbgang, sondern nur ein erhöhtes Risiko für Verwandte.
13. Frage:
Können das Primäre Sjögren-Syndrom oder das Fibromyalgiesyndrom (FMS) durch einen persönlichen Schicksalsschlag ausgelöst werden?
Antwort:
S-S: Sogenannter psycho-sozialer Stress kann ein Faktor einer Auslösung oder Verschlimmerung der Kollagenose sein, jedoch nicht alleinige Ursache (siehe Erbanlage, diskutierte Virusinfektionen, Hormonschwankungen etc).
FMS: Das FMS ist keine Kollagenose. Die genauen Ursachen kennt man nicht. Psyco-sozialer Stress ist ein wesentlicher Faktor der Schmerzempfindung bei FMS.
14. Frage:
Kann es bei Sjögren-Syndrom zu einer Lungenbeteiligung kommen?
Antwort:
Ja! Durch die ständige Trockenheit der Schleimhäute der Luftröhre und Bronchien werden trockener Husten und Bronchitis ausgelöst. Zusätzlich gibt es bei primären Sjögren-Syndrom-Entzündungen des Lungen-Stützgewebes (interstitielle Lungenentzündungen und Fibrosen). Bei Lymphknotenbildung muss die Entwicklung eines bösartigen Lymphomes ausgeschlossen werden.
Bei sekundärem Sjögren-Syndrom entspricht die Lungenbeteiligung der rheumatischen Grunderkrankung.
15. Frage:
Sind Zahnerkrankungen beim Sjögren-Syndrom die Regel?
Antwort:
Da der Speichel eine wichtige Rolle in der Mundhygiene spielt, ist Karies leider oft nicht vollständig zu vermeiden. Zucker ist zu meiden. Abends sollte der Mund mit fluoridhaltigen Mundwassern (0,05% Natriumfluorid) gespült werden. Bei Pilzbefall muß mit Anti-Pilzmitteln gespült werden. Zuckerfrei Kaugummis können die Rest-Sekretion von Speichel evtl. verbessern. Inferonhaltige Lutschtabletten sind in der Erprobungsphase und können noch nicht verschrieben werden, da der Nutzen noch nicht belegt ist.
"Pilocarpin-Tabletten (Salagen)", 4 mal 5mg können versucht werden. Wirkungseintritt nach 6 Wochen. Diese Therapie hat als Hauptnebenwirkung Schwitzen. Die Therapie ist mit ca. 9,40 DM/Tag relativ teuer.
16. Frage:
Kann beim Sjögren-Syndrom auch der Darm betroffen sein?
Antwort:
Siehe Frage 8 zu Befall von Speiseröhre, Magen und Bauchspeicheldrüse. Ein Befall des Dünn- und Dickdarms ist seltener.
17. Frage:
Tritt beim Sjögren-Syndrom eine chronische Bronchitis auf?
Antwort:
Dies ist möglich. Siehe Frage 14
18. Frage:
Können sich beim Sjögren-Syndrom Zysten oder Polypen auf den Stimmbändern bilden?
Antwort:
Dies ist eher ungewöhnlich.
19. Frage:
Wie sind "schwere Beine" und die damit verbundene Unruhe nachts zu erklären?
Antwort:
Dies könnten polyneuropathische Beschwerden sein. Eine Untersuchung ist erforderlich.
Siehe Frage 9 und 10.
20. Frage:
Wie ist die häufige Übelkeit mit und ohne Blähungen und Bauchschmerzen bei Sjögren zu erklären?
Antwort:
Übelkeit und Bauchschmerzen z.B. durch Entzündungen des oberen Magen-Darmtraktes bzw. Bauchspeicheldrüsen-Entzündung (s. Frage 8).
21. Frage:
Gehören Schwindelanfälle mit Panikattacken zum Symdrom?
Antwort:
Nein
22. Frage:
Wie sind starke Gelenkschmerzen zu erklären?
Antwort:
Siehe Frage 3: Gelenkschmerzen gehören zu den häufigsten Symptomen bei primären Sjögren bzw. auch bei anderen Kollagenosen, (bei sekund. Sjögren-Syndrom).
23. Frage:
Wie sind heiße, rote Innenflächen der Hände zu erklären?
Antwort:
Dies läßt sich ohne Untersuchung nicht beantworten. Dies ist kein typisches Symptom des Sjögren. Es könnte sich jedoch um eine Erythromelalgie im Rahmen einer Polyneuropathie oder ein inkomplettes Raynaud-Syndrom handeln, beide Symptome, die auch bei Sjögren vorkommen.
24. Frage:
Wie stark sind Blutgefäße geschädigt (z.B. Hirnblutung)?
Antwort:
Eine sekundäre Vaskulitis (Gefäßentzündung) ist häufig bei Sjögren. Die Ausprägung ist individuell krankheits-aktivität-abhängig und vor der Effiziens der immunsuppressiven Therapie abhängig! Die entzündeten Gefäße können auch Hirngefäße sein.
25. Frage:
Darf eine Sjögren-Betroffene längere Flugreisen machen?
Antwort:
Dies muss individuell beantwortet werden.
26. Frage:
Kann ein Schlaganfall Begleiterscheinung oder Einleitung des Syndroms sein?
Antwort:
Ja, siehe Frage 24.
27. Frage:
Könnte eine zweimalige Netzhautablösung vom Sjögren herrühren?
Antwort:
Eher eine eigenständige Krankheit.
28. Frage:
Kann bei einem Blutbild oder bei einer Blutuntersuchung ein Lymphom festgestellt werden?
Antwort:
Diese Laboruntersuchungen sind Bestandteil der regelmäßigen Kontrolluntersuchungen (siehe Frage 1). Aus ihnen kann sich der Verdacht auf ein Lymphom ergeben, der weitere Untersuchungen nach sich zieht.