Vortrag von Prof. Dr. H. Chr. Benöhr, Stuttgart Juni 2002


Einteilung

Symptomatik

Organmanifestationen

Diagnostische Befunde

Europäische Klassifizierungs-Kriterien

Symptomatische Behandlung I

Symptomatische Behandlung II

Spezifische Therapie

Funktion der Tränenflüssigkeit

Funktion des Speichels

Differentialdiagnose der Mundtrockenheit

Differentialdiagnose Speicheldrüsenvergrößerung

 

Einteilung

A. Primäre Erkrankung

B. Sekundäre Erkrankungen

bei rheumatoider Arthritis
Lupus erythematodes diss.
Mischkollagnosen
Sklerodermie

Dermatomyositis
Autoimmunthyreoiditis (Hashimoto)
Autoimmunhepatitis
Primär biliäre Zirrhose, primär sklerosierende Cholangitis

 

Symptomatik

Trockenheit der Augen
Bindehaut- und Hornhautentzündung

Trockenheit des Mundes
Mundgeruch, Mundschleimhautentzündung, Pilzbefall, Geschmacksstörung, vermehrte Karies und Paradontose, Schluckstörung

Trockenheit der Nase
Krustenbildung in der Nase, Riechvermögen vermindert

Trockenheit der oberen Luftwege
Heiserkeit, Husten, Bronchitis

Trockenheit der Vagina
Entzündung, sexuelle Probleme

Schwellung der Speicheldrüsen und Halslymphknoten

Gelenkschmerzen, Gelenkschwellungen (Arthritis)

Weißwerden der Finger ("Absterben" = Raynaud-Symptomatik)

Muskelschmerzen (Myalgien)

Allgemeine Müdigkeit und Leistungsschwäche

Chronische Magenbeschwerden, Verdauungsstörungen

 

Organmanifestation

Gelenke

Arthralgie, Arthritis

Lungen

gehäufte Lungenentzündung, chronische Bronchitis, Bronchiektasen, Alveolitis, Lungenfibrose

Nieren

Interstitielle Nephritis (selten)

Herz Herzbeutelentzündung, Herzrhythmusstörung (selten)
Blutgefäße Vaskulitis, Raynaud-Syndrom, Purpura, Exanthem, Thromboseneigung
Leber Lebervergrößerung, Cholostase (entzündl.)
Magen Chronisch atrophische Gastritis, Motilitätsstörungen
Gehirn Wesensveränderung, Gleichgewichtsstörung, Merk-und Gedächtnisschwäche, Krampfanfälle
Periphere Nerven Symm. sensorische Polyneurophatie (Schmerz und Gefühlsstörung an Beinen und Armen) Mononeuritis auch Ausfall einzelner Hirnnerven
Milz Vergrößerung

Lymphknotenvergrößerung zu beachten, da maligne Entartung zum malignen Lymphom möglich ist. Zunehmendes Wachstum !

 

Diagnostische Befunde

Anamnese und Untersuchungsbefund

Ultraschallbefund (Sonographie) der Speicheldrüsen

Computertomographie, Kernspintomographie

Sialographie (Gangdarstellung der Ohrspeicheldrüse)

Szintigraphie der Speicheldrüsen

Biopsie aus der unteren Lippenschleimhaut

Saxontest (Messung der Speichelmenge)

Schirmertest (Messung der Tränensekretion)

Laborbefunde: Blutbild, Blutsenkung, Immunglobulin- und Autoantikörperbestimmung

 

Europäische Klassifizierungs-Kriterien

1. Augensymptom
a. tägliche Augentrockenheit seit > 3 Monaten
b. wiederkehrendes Sandkorngefühl,
c. mehrfach tägl. künstliche Tränenflüssigkeit

2. Mundsymptome
a. Mundtrockenheit seit > 3 Monaten
b. wiederholt Speicheldrüsenschwellung
c. Schluckstörung, häufiges Trinken

3. Augenbefunde
a. Schirmertest < 5ml/5 min.,
b. Bengalrotfärbung

4. Histopathologischer Befund
Biopsie der Speicheldrüsen der unteren Lippenschleimhaut.
Fokus-Score >1/4 mm/2

5. Speicheldrüsenbefall
a. Szintigraphie,
b. Gangdarstellung der Ohrspeicheldrüse (Sialographie)
c. Messung des Speichelflusses >1,5ml/15 min.

6. Autoantikörper
Anti Ro/SS-A AK oder La/SS-B AK, Antinukleäre Antikörper, Rheumafaktor

4 von 6 Kriterien erfüllt: Primäres Sjögren-Syndrom sicher
3 von 6 Kriterien erfüllt: Sjögren-Syndrom möglich
Sekundäres Sjögren-Syndrom: Kriterien 1 oder 2
Plus 2 der Kriterien 3,4 oder 5

 

 Symptomatische Behandlung I

Allgemeinmaßnahmen

- Prophylaxe und frühzeitige Therapie von Infektionen, besonders zu beachten sind Pilzinfektionen

- Intensive Mundpflege, Kariesprophylaxe

- Kauhilfe (zuckerfrei!) zur Anregung der Speichelproduktion

- Regelmäßige ärztliche Kontrollen (Zahn, Augen, Frauenarzt, HNO)

- Vermeidung von Risiken aus der Umgebung (Klimaanlagen, Zugluft, Zigarettenrauch,
langdauernde Sonnenbestrahlung)

- Luftbefeuchtung in geschlossenen Räumen 50 % anstreben

- Schutzbrille gegen Wind tragen

- bei trockener Haut regelmäßige Pflege mit Hautlotion

- bei trockener Vagina östrogenhaltige Zäpfchen oder Cremes (Frauenarzt!!), sonst eventuell
Vagiflor, Joghurt, Vit. E-Öl

- Medikamenten-Nebenwirkungen beachten

 

Symptomatische Behandlung II

Substitution

Künstliche Tränenflüssigkeit

Hypromellose (Artelac, Isoptofluid, Sicca-Stulln, Sic-Ophtal)

Polyvidon (Arufil, Lacophtal, Lacri-Stulin, Oculotect, Protagent, Vidirakt, Vidisept)

Polyvinylalkohol (Lacrimal, Liquifilm)

Hydroxyäthylcellulose (Lacrigel)

Carbomer-Gel (Lipsic, Siccapos, Vidisic, Visc-Ophtal)

und Kombinationspräparate (z.B. mit Bepanthen, Dextran oder Retinolpalmitat)

für die Nacht Salben verwenden

Zusatz EDO, sine, uno = ohne Konservierungsmittel

Künstlicher Speichel oder Lösung zum Anfeuchten

Glandosane - Spray (Carmellose)

Saliva medac - Spray (Mucin)

Emser Salz - Spray

Für die Nacht eventuell Gel verwenden

 

Zum Anfeuchten der Nase und Entfernen von Borken

Nasensalben und -öle (evtl. in der Apotheke individuell zubereiten lassen), Salzlösung als
Spray

Nasentrophen ratiopharm

Homöopathika

 

Spezifische Therapie

es gibt zur Zeit kein Medikament, das den Morbus Sjögren vollständig und umfassend behandeln
oder heilen kann.

Für verschiedene Symptome und bei Befall innerer Organe stehen Medikamente zur Verfügung,
die Besserung erzielen können.

Cortison: bei ausgeprägtem Krankheitsschub mit Fieber, akuter Speicheldrüsenschwellung
(Vorsicht Tumor oder Lymphom), Erkrankung von Nieren, Blutgefäßen (Vaskulitis),
Gehirn hochdosiert mit 1mg/kg KG beginnen, ab 3.-5. Tag schrittweise reduzieren bis
Null oder sehr niedrige Dosis.

Weitere Immunsuppressiva, z.B. Azathioprin nur bei akuter und dringender
Allgemeinsymptomatik.

Antiphlogistika, Antirheumatika: bei Gelenk- und Muskelschmerzen, Arthritis

Stimulierende Maßnahmen, vor allem für Speichelproduktion:
Pilocarpin, z.B. Salagen-Tabl. oder -Lösung
Cyclosporin
Bromhexin

Zukunftsaspekte: Immunmodulation oder -stimulation
Blockierung von pro- oder antiinflammatorischen Zytokine
(z.B. Enbrel, Remicade o. ä.)

Bei offensichtlichen bakteriellen Infekten, insbesondere der Lungen wie Lungenentzündungen,
eitrigren Bronchitiden, dauerhaften fieberhaften Erkältungen nicht mit dem Einsatz von Antibiotika zögern. Überlagerungen durch allergische Reaktionen immer möglich.

 

Funktion der Tränenflüssigkeit

Bildungsort: Tränendrüsen

Abfluß über Tränennasengang

Tränenmenge stark wechselnd
pH 7,35. Tränenflüssigkeit ist klar, enthält Eiweiß, Glukose, Kochsatz,
wenig Schleim und Fett.

Aufgaben: Schutz der Hornhaut und Bindehaut

Ausspülung von Fremdkörpern

Lokaler Infektionsschutz

 

Funktion des Speichels

Der Speichel wird produziert in großen ( 2 Ohr-, 2 Unterkiefer- und 1 Unterzungendrüse),
sowie zahlreichen kleinen Speicheldrüsen.

Tagesmenge ca. 500-1500 ml/24 h, Wassergehalt 99%
ca. 25% dünnflüssig, eiweißarm
ca. 65% klar,eiweißhaltig
ca. 5% eiweißreich, fadenziehend
pH 5,8 - 7, 1 spezif. Gewicht 1,002-1,012

Aufgaben: Feuchthalten der Mundhöhle

Speisen anfeuchten, schlüpfrig machen zum Schlucken

Lösen der Geschmackstoffe

Lokaler Infektionsschutz (Pilze, Bakterien)

 

Differentialdiagnose der Mundtrockenheit

M.Sjögren (primär und sekundär)

Fibromyalgie-Syndrom

Diabetes mellitus

Sarkoidose

Virusinfektionen

Z.n. Rö.-Bestrahlung von Mund-Rachen-Hals

Psychische Erkrank.: Depression, Angstzustände

Multiple Sklerose

Medikamentös: Psychopharmaka (Antidepressiva)

Hochfieberhafte Erkrankungen, Durchfallerkrankungen

 

Differentialdiagnose Speicheldrüsenvergrößerung

Meist einseitig: Zysten, gutartige u. bösartige Tumore
Maligne Lymphome
Bakterielle Entzündung
Speichelsteine

Meist beidseitig: M. Sjögren
Sarkoidose (granulomatöse Entzünd.)
Virusinfektrion (z.B. Mumps)
Diabetes mellitus
Medikamentös: Psychopharmaka,
Antihypertonika
Anorexia nervosa
Chronischer Alkoholismus
Speicherkrankheiten (Amyloidose)